Weite Ferne | 2020

1: Ich vermisse einfache Entscheidungen
P2: Wie Lego oder Playmobil
P1: Wie Zuckerwatte oder Lakritze
P2: Wie Vanille oder Schokolade
P1: Wie Fussball oder Volley
P2: Wie vorne im Klassenzimmer sitzen oder hinten
[…]
P1: Wie Karriere oder Familie
P2: Wie Erfolg oder Glück
P1: Wie Schicksal oder Zufall
P2: Wie Ehe oder Scheidung
P1: Wie Audi oder BMW
P2: Wie SVP oder SP
P1: Wie Burnout oder Happypills
P2: Wie Chemo- oder Immuntherapie
P1: Wie Kämpfen oder Annehmen
P1: Wie Himmel oder Hölle
P2: Wie Urne oder Sarg

Theaterperformance mit Annick Bosson

Fernweh, Liebeskummer, Verlust – Sehnsucht nach dem, was mal war, und jetzt nicht mehr ist. Vermissen kann ­verschiedenste Formen annehmen: drängend und scharf, ganz sachte stupsend im Hinterkopf oder auch als stetes Gurgeln im Bauch. Annick Bosson und Klarissa Flückiger ­begeben sich auf eine Recherche, um verschiedene ­Facetten des Vermissens einzufangen. Dialogische Überlegungen mit symbolischer Bildsprache treffen dabei auf eine alte ­Familiengeschichte.

Eine Erzählebene leitet die Besucher*innen durch das Stück. Darin wird die biografische Geschichte von Klarissas Urgrossvater erzählt, der 1918 aus der Schweiz nach Sumatra auswanderte. Die Geschichte eröffnet verschiedene Zustände des Vermissens: Fernweh, Sehnsucht und Verlust. Diese Zustände werden von den beiden Performer*innen in eigenen dialogischen Texten ins Heute transferiert und mit persönlichen Geschichten verknüpft und in die Tiefe getragen. Die Geschichten des Urgrossvaters und der Performer*innen verbinden sich mit den symbolischen Handlungen, werden zunehmend verwoben, nehmen an Fahrt auf und kippen ins Abstrakte. Eine Gedankenreise eröffnet eine Ebene des eigenen Vermissens und Erinnerns für die Besucher*innen. Diese Ebene wird zusätzlich unterstrichen durch längere bildhafte Phasen an den Hellraumprojektoren und durch Brieffragmente der Performer*innen, welche im Zwiegespräch durch das Publikum getragen werden.


Wanderlust, lovesickness, loss – longing for what used to be and is no more. Missing can take a variety of forms: pressing and sharp, very gently nudging in the back of the mind or also as a constant gurgling in the stomach. Annick Bosson and Klarissa Flückiger set out on a research to capture different facets of missing. Dialogical reflections with symbolic imagery meet an old family history.

A narrative level guides the visitors through the piece. It tells the biographical story of Klarissa’s great-grandfather, who emigrated from Switzerland to Sumatra in 1918. The story opens up various states of missing: wanderlust, longing and loss. These states are transferred into the present by the two performers in their own dialogical texts and linked to personal stories and carried into the depths. The stories of the great-grandfather and the performers connect with the symbolic actions, become increasingly interwoven, pick up speed and tip over into the abstract. A journey of thought opens up a level of missing and remembering for the visitors. This level is additionally underlined by longer visual phases on the overhead projectors and by letter fragments of the performers, which are carried through the audience in dialogue.


Aufführung: 7. + 8. Februar 2020, schwere reiter, München
Konzept, Performance: Annick Bosson, Klarissa Flückiger
Lecture, Regieassistenz: Rena Glück
Technik: Martine Rojina
Dauer: 50 Minuten
Fotografien: Martin Hofstätter, Martine Rojina